
Bürgermeister und Kämmerer rechnen mit 7,9-Millionen-Defizit
Rietberg. Die Stadt Rietberg wird auch im kommenden Jahr erhebliche Kredite aufnehmen müssen, um die geplanten Investitionen in die Zukunft und die laufende Verwaltungstätigkeit finanzieren zu können. Auch die Bürgerinnen und Bürger werden stärker belastet: Voraussichtlich werden die Steuern erhöht. Diese Aussichten stehen im Mittelpunkt des Haushaltsplanentwurfes 2026, den Bürgermeister Andreas Sunder und Kämmerer Florian Kapp am Donnerstagabend dem Stadtrat vorlegten.
Die Kommunalpolitiker, manche erst seit zwei Tagen im Amt, werden das Zahlenwerk nun intensiv durchsehen, Änderungsvorschläge machen und Ende Januar den Haushalt endgültig verabschieden. Die Haushaltsplanung 2026 wird in den mindestens neun Ausschusssitzungen bis zum 29. Januar 2026 immer wieder Thema sein.
Schon seit mehreren Monaten arbeiten Stadtverwaltung und Politik intensiv an einer Haushaltskonsolidierung. Mehr als 100 Maßnahmen zur Reduzierung der Aufwendungen und zur Steigerung der Erträge hatten Kapp und die Stadtverwaltung erarbeitet, quer durch alle Bereiche. 90 davon hat der Rat kürzlich beschlossen. Sie sind bereits in den Haushaltsplanentwurf eingeflossen und bewirken eine Verbesserung des Haushaltsergebnisses um rund 2,7 Millionen Euro. Die noch offenen Punkte werden in den kommenden Wochen beraten.
Dennoch bleibt zum Jahresende 2026 unter dem Strich wohl ein Ergebnis von -7,9 Millionen Euro. Florian Kapp hat im Ergebnisplan mit Aufwendungen von 96,3 Millionen Euro und Erträgen in Höhe von 88,4 Millionen Euro kalkuliert.
„Es war gut und richtig, dass wir schon so früh im Jahr mit der Haushaltskonsolidierung begonnen haben“, sagt Andreas Sunder. „Sonst sähe die finanzielle Situation noch düsterer aus.“ Bereits deutlich vor der Kommunalwahl im September hatte der Bürgermeister auf die schwierige Situation aufmerksam gemacht, Einschnitte angekündigt und eine mögliche Steuererhöhung – erstmals seit 2016 – nicht verschwiegen. Wie hoch diese ausfallen wird, wird die Politik nun beraten. Sunder und Kapp schlagen vor, die Steuersätze überwiegend auf die fiktiven Hebesätze des Landes NRW anzuheben – also einen rechnerischen Vergleichswert für die Städte und Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Konkret lautet der Vorschlag:
- Gewerbesteuer: 421 von Hundert (bisher 414)
- Grundsteuer A (für land- und forstwirtschaftliche Flächen): 371 v.H. (bisher 294)
- Grundsteuer B (für bebaute und unbebaute Grundstücke): 639 v.H. (bisher 596)
So erhofft sich der Kämmerer zusätzliche Erträge aus Steuern in Höhe von fast 1 Millionen Euro im Vergleich zum Jahresplan 2025.
Die gute Nachricht: Dank all der Sparbemühungen kann für 2026 ein sogenanntes Haushaltssicherungskonzept vermieden werden. Das hieße: Bei noch größeren Defiziten müsste ein noch radikalerer Finanzplan unter Aufsicht des Kreises Gütersloh erstellt werden, um langfristig die städtischen Finanzen zu stabilisieren. Vermutlich etwa 40 Prozent der NRW-Kommunen unterliegen bereits dieser Pflicht. In Rietberg ist dieses Schreckgespenst vorübergehend vom Tisch.
Kämmerer Kapp und Bürgermeister Sunder sehen mehrere Gründe für die schwierige Finanzsituation der Stadt Rietberg:
- Die Umlage, die die Stadt Rietberg an den Kreis abführen muss, liegt 2026 mit 36 Millionen Euro auf einem weiterhin sehr hohen Wert. Hier sind unter anderem die steigenden Sozialausgaben enthalten.
- Der Rechtsanspruch eines jeden Grundschulkindes auf eine Nachmittagsbetreuung in der Offenen Ganztagsschule (OGS) ab dem kommenden Sommer erfordert in Rietberg Investitionen in Millionenhöhe.
- Die Gewerbesteuer, Rietbergs größte Ertragsquelle, hatte zwar 2024 einen Rekordwert erreicht (37,1 Millionen Euro). Inzwischen wird deutlich, dass sich die wirtschaftliche Lage auch in Rietberg eintrübt. Selbst im aktuellen Jahr wird der geplante Ertrag von 33,5 Millionen Euro wohl nicht erreicht werden.
- Die gewünschten Investitionen (38 Millionen Euro in 2026) – zum Beispiel für die Sanierung der Gesamtschule, Neubau eines Feuerwehrhauses – können nur mit neuen Krediten (16 Millionen Euro) ermöglicht werden. Selbst für die laufende Verwaltungstätigkeit sind bis zu 12 Millionen Euro an Krediten erforderlich. Damit steigt zugleich die Zinslast. Allein die Kreditverbindlichkeiten für Investitionen der vergangenen Jahre summieren sich auf 94 Millionen Euro – die Stück für Stück abgezahlt werden müssen. Die Schulden im Kernhaushalt stiegen zuletzt (2024) auf 2405 Euro pro Kopf – dreimal so viel wie der Durchschnitt im Kreis Gütersloh.
Dennoch, so Sunder, habe Rietberg in den vergangenen Jahren nicht über seine Verhältnisse gelebt. Die Investitionen in beispielsweise das neue Gymnasium waren zwingend erforderlich. Zudem gehe es dem überwiegenden Teil der Städte und Gemeinden in NRW ähnlich: Auch sie sind gezwungen, ihre Ausgleichsrücklage auf null zu fahren – so wie Rietberg vermutlich im Jahr 2028.
Das macht deutlich, dass die Kommunen im Land grundsätzlich unterfinanziert sind. Da hilft auch nicht das sogenannte Sondervermögen des Bundes: Über einen Zeitraum von zwölf Jahren darf Rietberg auf zusätzliche 13,3 Millionen Euro zur Infrastrukturförderung zurückgreifen. „Darüber freuen wir uns natürlich. Das ist etwas mehr als bloß ein Tropfen auf den heißen Stein“, so der Bürgermeister. „Doch es wird nicht helfen, das strukturelle Problem zu lösen. Da müssen Bund und Land künftig noch ganz neue Ideen entwickeln und Mittel bereitstellen.“

