Die sieben Stadtteile von Rietberg

Seit der Gebietsreform von 1970 besteht die Stadt Rietberg nicht mehr nur aus seiner Kernstadt, der ehemaligen gräflichen Landeshauptstadt Rietberg, sondern durch Eingemeindung aus den insgesamt sieben, wenn auch unterschiedlich großen, so doch prinzipiell gleichberechtigten Stadtteilen Bokel, Druffel, Mastholte, Neuenkirchen, Rietberg, Varensell und Westerwiehe.

Die Geschichte der Rietberger Ortsteile

von Manfred Beine

Erst Bauerschaften, dann Landgemeinden, heute Stadtteile

Die Stadtteile der Stadt Rietberg setzen historisch betrachtet die Tradition der Bauerschaften und Kirchdörfer der ehemaligen Grafschaft Rietberg fort. Außer der Landeshauptstadt Rietberg bestand die Grafschaft aus insgesamt zwölf Bauerschaften. Von diesen bilden die fünf ehemaligen nördlichen Bauerschaften Bornholte, Liemke, Oesterwiehe, Sende und Verl die heutige Gemeinde Verl und einen Teil von Schloß Holte-Stukenbrock, während aus den sieben südlichen alten Bauerschaften Bokel, Druffel, Mastholte, Moese, Neuenkirchen, Varensell und Westerwiehe im Verbund mit der ehemaligen Landeshauptstadt Rietberg die heutige Stadt Rietberg entstanden ist.

Der Zusammenschluss zur Großgemeinde Rietberg im Zuge der kommunalen Neugliederung im Jahre 1970 hatte damals in vorbildlicher Weise auch alle historischen Argumente auf seiner Seite. Verbindet die Stadtteile doch eine seit dem 13. Jahrhundert währende Tradition der Zusammengehörigkeit unter dem Dach der Grafschaft Rietberg. Diese Tradition fand auch nach der Aufhebung der Grafschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Zeit der Zugehörigkeit Rietbergs zum Königreich Preußen ihre konsequente Fortsetzung. Denn in der Preußenzeit waren aus den ehemals gräflichen Bauerschaften lauter selbstständige Landgemeinden geworden, die dann im Jahre 1843 zu dem sogenannten Amt Rietberg mit der gemeinsamen Amtsverwaltung in Rietberg zusammengeschlossen wurden.

Das 1843 gebildete Amt Rietberg sollte dann beinahe 130 Jahre, nämlich bis zur kommunalen Neugliederung des Jahres 1970, Bestand haben. Nahezu unverändert gingen bei der Neugliederung dann die alte Grafschaftsstadt Rietberg und die sieben amtsangehörigen Landgemeinden Bokel, Druffel, Mastholte, Moese, Neuenkirchen, Varensell und Westerwiehe in der heutigen Stadt Rietberg gemeinsam auf.

Bewegte Geschichte von Mastholte

Kirchlich gesehen gehörte Mastholte, obwohl ein Teil der Grafschaft Rietberg, ursprünglich zum benachbarten Wadersloh. Das war schon ein Teil des Staatsgebietes des alten Fürstbistums Münster. Erst im Jahre 1570 gründete der Rietberger Landesherr Graf Erich von Hoya das Kirchspiel Mastholte, das auch die Bauerschaft Moese umfasste. Einem ersten Kapellenbau in Mastholte-Süd folgte erst im 17. Jahrhundert weiter nördlich der Bau der heutigen Pfarrkirche St. Jakobus. Vom Patronat der Kirche her leitet auch der seit dieser Zeit alljährlich stattfindende Jakobimarkt seinen Namen ab. Bis Ende des vorigen Jahrhunderts galt Mastholte als das Armenhaus der ehemaligen Grafschaft. Überdurchschnittlich hoch war die Zahl derjenigen, die zwischen 1830 und 1860 von Mastholte aus nach Amerika auswanderten, um in der »Neuen Welt« ihr Glück zu versuchen. Modernisierung und Industrialisierung, die für Mastholte heute in besonderer Weise kennzeichnend sind, haben erst spät eingesetzt und sind zum ganz überwiegenden Teil sogar erst eine Leistung der Nachkriegszeit. Im Jahr 2000 konnte Mastholte die 700. Wiederkehr seiner frühesten urkundlichen Erwähnung feiern.

Moese und Mastholte schließen sich zusammen

Von den genannten Bauerschafts- und Gemeindenamen dürfte einer als möglicherweise vollständig unbekannt und bisher ungehört aufgefallen sein. Gemeint ist der alte Bauerschafts- und Gemeindename Moese. Diesen Ortsnamen gibt es seit der kommunalen Neugliederung von 1970 nicht mehr. Und auch bei den alt eingesessenen Rietbergern gerät dieser alte Ortsname zunehmend in Vergessenheit. Was hat es mit diesem Namensverlust auf sich? Wohin ist die alte rietbergische Bauerschaft Moese entschwunden?

Die Frage ist recht schnell beantwortet. Im Zuge der Bildung der Großgemeinde Rietberg schlossen sich 1970 die ehemals selbstständigen Gemeinden Moese und Mastholte unter dem Namen Mastholte zu einem Ortsteil zusammen. Man mochte den Namen Moese nicht mehr, und es bestand ohnehin das Kuriosum, dass die Mastholter Pfarrkirche St. Jakobus auf Moeser Gebiet errichtet worden war. Um die Mastholter Kirche in Moese herum hatte sich zudem ein besonderer Siedlungsschwerpunkt für das Gebiet der beiden ehemaligen Bauerschaften herausgebildet. Eine enge Kooperation zwischen Mastholte im Süden und Moese im Norden bestand ohnedies auf verschiedensten Gebieten, so dass die Bildung eines gemeinsamen Ortsteils unter dem Namen Mastholte nur sinnvoll erschien. Und wer heute ohne Kenntnis der geschichtlichen Zusammenhänge durch Mastholte fährt, wird kaum auf die Idee kommen, dass dieser Stadtteil aufgrund des Zusammenschlusses zweier ehemals selbstständiger Landgemeinden zustande gekommen ist.

Zur Dorfkernentwicklung in Bokel und Druffel

Ihren heutigen dörflichen Siedlungskern haben die benachbarten Stadtteile Druffel und Bokel erst vergleichsweise spät entwickeln können. Voraussetzung für die Herausbildung eines Ortsmittelpunktes in diesen ursprünglich eher gleichmäßig auf die Fläche hin besiedelten Bauerschaften war jeweils die Errichtung von Kirchen, um die sich nach und nach ein zentralörtlicher Dorfkern bildete. In Bokel gab es eine solche Kirche schon seit dem Jahre 1712, der sich bald eine der damals üblichen Küsterschulen anschloss. An diese Tradition konnte mit der Wiedererrichtung einer Grundschule in Bokel im Jahre 1995 erfolgreich angeknüpft werden.

In Druffel, in dieser traditionell kleinsten der ehemaligen Bauerschaften der Grafschaft Rietberg, besteht die Kirche – es ist eine Filialkirche der Mutterpfarrei St. Margareta in Neuenkirchen – erst seit dem Jahre 1956. Die Herausbildung des Dorfkerns hat hier erst deutlich später eingesetzt. Eines steht jedoch für Bokel und Druffel in gleicher Weise fest: Den entscheidenden Aufschwung in Besiedlung und Bebauung erfuhren beide Stadtteile im Grunde erst nach 1945.

Bokel und Druffel blieben, wohl auch bedingt durch ihre räumliche Nähe zu den Siedlungs- und Versorgungszentren Rietberg und Neuenkirchen, bis heute die kleinsten und überschaubarsten Rietberger Stadtteile. Nicht von ungefähr weisen sie in naturräumlich attraktiver Lage die vergleichsweise geschlossenste und abgerundetste Gestalt von Siedlung und Bebauung in Rietberg auf.

Neuenkirchen, der wirtschaftliche Mittelpunkt der Grafschaft

Traditionell versuchte das Kirchdorf Neuenkirchen, der ehemaligen Landeshauptstadt Rietberg in manchen Fragen die Führungsrolle innerhalb der Grafschaft streitig zu machen. Historisch hat da Neuenkirchen bis heute einige wichtige Argumente ins Feld zu führen. So ist Neuenkirchen, das im Jahre 1185 als “nyen kerken” erstmalig genannt wurde, zweifellos der Ausgangspunkt der kirchlichen Entwicklung in der Grafschaft. Als Filialkirche der karolingischen Urpfarre Wiedenbrück war Neuenkirchen schon lange Zeit kultureller und geistiger Mittelpunkt des Landes, bevor es die Grafschaft Rietberg und eine gräfliche Eigenkirche in Rietberg überhaupt gab. Mit der heutigen Pfarrkirche St. Margareta, die in ihrem Kern aus dem 13. Jahrhundert stammt, verfügt Neuenkirchen auch über das älteste Baudenkmal im Stadtgebiet.

In der frühen Neuzeit waren die Bauerschaft und das Dorf Neuenkirchen zudem wirtschaftlicher Mittelpunkt der Grafschaft Rietberg. Zum einen führte traditionell die wichtigste Postlinie von Münster und Wiedenbrück über Neuenkirchen (und damit an Rietberg vorbei) nach Paderborn. Zum anderen wurde Neuenkirchen im 18. Jahrhundert zum Sitz und Siedlungsschwerpunkt der Synagogengemeinde der Grafschaft Rietberg. Der erhaltene jüdische Friedhof an der Druffeler Straße ist ein bleibendes Zeugnis dieser hier ehedem ansässigen bedeutsamen Gemeinde.

Neuenkirchen entwickelte sich seit dem 18. Jahrhundert zur wichtigsten Stütze und zum eigentlichen Motor für den Aufbau von Handel und Handwerk im Rietberger Land. In Neuenkirchen nahm auch die Industrialisierung des Landes ihren Anfang. So gründete Emil Kemper, führendes Mitglied der örtlichen Synagogengemeinde und langjähriges Mitglied des Neuenkirchener Gemeinderates, im Jahre 1898 mit der Eisengießerei Kemper & Lonsberg den ersten Industriebetrieb im heutigen Stadtgebiet. Das Unternehmen konnte 1998 sein 100-jähriges Bestehen feiern.

Die besondere, historisch gewachsene Bedeutung Neuenkirchens unterstreicht zudem die Tatsache, dass es in der Preußenzeit für einige Jahre selbst einmal Sitz der Amtsverwaltung, und zwar der Landgemeinden im nördlichen Teil der ehemaligen Grafschaft, war. Im Jahre 1836 musste es diesen Amtssitz jedoch an Verl abgeben und wurde schließlich dem Amt Rietberg zugeordnet.

Varensell, vom Rittersitz zum Klosterdorf

An ein untergegangenes Adelsgeschlecht, das im Jahre 1530 im Mannesstamme, wie es so schön heißt, ausgestorben ist, erinnert der Name des Stadtteils Varensell. Die ursprünglich reich begüterten Ritter von Varensell, die zeitweilig zu den Lehnsleuten des Zisterzienserklosters Marienfeld gehörten und Domherrenämter in Paderborn ausübten, hatten sich bei der Herausbildung der Grafschaft Rietberg gegen die neuen gräflichen Herren aus dem Hause Arnsberg nicht durchsetzen können und blieben diesen bis zu ihrem Ende im Spätmittelalter unterlegen.

Als Bauerschaft der Grafschaft Rietberg gehörte Varensell traditionell zum Kirchspiel Neuenkirchen. Erst mit der Gründung der Benediktinerinnenabtei »Unserer Lieben Frau« im Jahre 1902 setzte auch in Varensell eine dörfliche Siedlungsentwicklung um die auch als Pfarrkirche genutzte Klosterkirche ein. Ein Vorgang, wie er in ähnlicher Weise bereits für die Dorfentwicklungen von Westerwiehe, Bokel und Druffel zu beobachten war. Das sogenannte Klosterdorf Varensell ist in den letzten Jahrzehnten beinahe wie nach dem Muster mittelalterlicher Siedlungen Schicht um Schicht um Kloster, Kirche und Schule gewachsen. Sein 100-jähriges Klosterjubiläum konnte Varensell im Jahre 2002 feiern. Im Jahre 2006 folgte das 100-jährige Kirchweihfest.

Westerwiehe, der »Geflügelhof Deutschlands«

Auf den ehemaligen Hof “Schulte auf’m Wiehen” ist der Stadtteilname Westerwiehe zurückzuführen, für den es im benachbarten Verl das historisch und regional parallele Gegenstück mit dem Namen Oesterwiehe gibt. Die Ministerialenfamilie Korbuc, später Körbecke – sie wird in der Rietberger Jubiläumsurkunde von 1289 erwähnt – hatte ihren Sitz auf dem Hof zur Wiehen. Später verloren die Korbucs, die als Burgmannen in Diensten der Rietberger Grafen standen, ihren niedrigen Adelsrang, und aus Westerwiehe wurde eine durch Meyerhöfe, Landvögte und Bauernrichter verwaltete Bauerschaft der Grafschaft. Seit dem Jahr 2000 ruft der neu gewählte örtliche Straßenname Am Burgmannshof diesen besonderen geschichtlichen Zusammenhang für Westerwiehe in Erinnerung.

Auch in Westerwiehe ist die dörfliche Siedlungsentwicklung im Wesentlichen ein Vorgang, der noch nicht sehr alt ist. Die 1923 errichtete Pfarrkirche St. Laurentius und die Zentralisierung der über die Landgemeinde verteilten drei Volksschulen spielten dabei eine wichtige Rolle. So war auch der Erhalt der im Zuge der Schulreform von 1970 gebildeten Grundschule in Westerwiehe, anders als im kleineren Bokel, nie ernsthaft fraglich.

Bedingt durch die relativ schlechten Böden und die damit einhergehende Armut der Landbevölkerung wandten sich einige Kleinbauern und Kötter in Westerwiehe um die Jahrhundertwende den Vorteilen einer modernen Geflügelzucht zu. Sie taten dies letztlich mit so großem Erfolg, dass sich ein dauerhafter landwirtschaftlicher Produktionsschwerpunkt herausbildete, der langfristig zu einem bestimmenden Markenzeichen dieses Rietberger Stadtteils werden sollte. An Westerwiehes zeitweilig uneingeschränkten Ruf als zentraler »Geflügelhof Deutschlands« erinnert ein Hühnerdenkmal, das der Künstler Johannes Niemeier aus Anlass des 100-jährigen Bestehens des Geflügelzuchtvereins Westerwiehe im Jahre 1998 für Westerwiehe geschaffen hat.

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