
Der Hof Reinkemeier in Westerwiehe ist LWL-Denkmal des Monats November
Rietberg (lwl). Der Hof Reinkemeier in Westerwiehe ist eines der ältesten bäuerlichen Anwesen in Rietberg (Kreis Gütersloh). Seine Besitzgeschichte lässt sich bis ins 18. Jahrhundert zu seinem Bauherren Johannes Reinkemeyer und seiner Frau Anna Kristina zurückverfolgen. Dessen heutiger Nachfahre hat es sich mit seiner Familie zum Ziel gesetzt, den Hof neu zu beleben und das 292 Jahre alte Haupthaus zu sanieren - ein dreischiffiges Längsdielenhaus mit Wirtschaftsteil, das seit diesem Jahr unter Denkmalschutz steht. Deshalb hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) es als Denkmal des Monats November ausgezeichnet. Die Inventarisation und Bauforschung der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen steht den Eigentümern bei der geplanten Sanierung beratend zur Seite.
Überlieferte Details aus der Hofgeschichte haben historische Zeugniskraft für das bäuerliche Leben in Westfalen und liefern Informationen darüber, welche Menschen im Laufe der Jahrhunderte auf dem Hof lebten. "So wird im Kataster von Westerwiehe aus dem Jahr 1820 der Bauer Franz Reinkemeyer, genannt Reinken, erwähnt", erklärt LWL-Bauforscher Frank Högg. "Dem damaligen 'Hof 108' werden drei ansässige Familien mit insgesamt mindestens elf Personen zugeordnet: Im Haupthaus wohnten die Bauersleute mit ihren drei Kindern, dem Großvater und einer Hirtin. Zum Hof gehörten außerdem die beiden Heuerlingshäuser mit weiteren Familienangehörigen." Bei den Recherchen zur Geschichte des Hofes haben Heimatforschende aus Rietberg das LWL-Denkmalfachamt und die Untere Denkmalbehörde der Stadt Rietberg unterstützt.
Im Laufe der Zeit erfolgten An- und Umbauten am Haus. "Am 23. November 1892 wurde Christoph Reinkemeier zum Ortsvorsteher des Dorfes Westerwiehe gewählt", so Högg. "Wohl aus diesem Anlass erhielt das alte Bauernhaus einen nördlich an seinen Wohnteil angebauten Anbau mit mehreren Räumen für die Bürgermeisterei." Im Jahr 1929 erhielt der Wirtschaftsteil des Haupthauses einen westlich angrenzenden traufständigen Schweinestall, der noch heute die breite Eingangsfront des Wirtschaftsgiebels prägt. Dessen repräsentatives Tor ist im Stil des 18. Jahrhunderts verziert: "Unter einer Reihe von zwölf Volutenknaggen sitzt mittig der Torrahmen, bestehend aus zwei massiven Ständern, dem Torriegel und zwei aussteifenden Kopfbändern. Der Torbogen wird durch einen umlaufenden Perlstab verziert", erklärt Högg. Der Torbalken trägt die Inschrift: WER AVF GOT VERTRAVET DER HAT WOLGEBOVET IM HIMMEL UND AVF ERDEN - der Beginn eines bekannten evangelischen Kirchenliedes. Die Inschrift endet mit dem Namen der Bauherren und seiner Frau sowie dem Datum der Hausvollendung am 20. Juni 1733. "Auch der Zimmermann des Hauses hat selbstbewusst seinen Namen in die Kopfbänder eingeschnitzt", erklärt Högg: "M - für Meister - JOST ERLEI."
Die LWL-Bauforschung konnte nachweisen, dass die circa 50 Eichen des Hausgerüstes im Holzeinschlagwinter 1732/33 gefällt und zu Balken behauen wurden. Folglich betrug die Bauzeit für das Längsdielenhaus bis zur Vollendung im Juni 1733 vermutlich nur ein halbes Jahr.
Im Wohnbereich der Bauernfamilie machten die LWL-Bauforschenden eine Entdeckung: "In zwei Wohnkammern im Obergeschoss haben wir eine Raumausmalung aus der Biedermeierzeit entdeckt", sagt Högg. "Die eine zeigt ein stilisiertes Distelmotiv auf einer weiß getünchten Fachwerkwand, die andere spiralförmige Kreise in Schwarz auf weißem Grund." Beide Muster wurden in der alten Technik der Schablonierung mit aus Karton geschnittenen Mustervorlagen gestaltet. "Diese Technik beherrschen heute nur noch wenige Maler", so Högg. "Sie zeigt das selbstverständliche Schmuckbedürfnis der Hofbewohner in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts."
Nicht nur die Bauforschenden des LWL haben auf dem Hof einiges entdeckt, auch der heutige Hofeigentümer Sebastian Reinkemeier hat bei seinen Aufräumarbeiten wertvolle Funde gemacht: "Im Bürgermeisterzimmer habe ich weitere Raumausmalungen gefunden. Außerdem habe ich eine originale Zierknagge wiedergefunden, die im Wirtschaftsgiebel vermisst wird. Darüber freue ich mich besonders: Bei unserer Giebelsanierung kann sie nun wieder am ursprünglichen Ort eingebaut werden."
Hintergrund: Traditioneller Hausgrundriss unter einem großen Dach
Der Grundriss des traditionellen Vierständer-Längsdielenhauses von 1733 lässt sich im Detail rekonstruieren: Er zeigt eine fünf Gebinde lange Diele von 4,85 Meter Breite und 8,93 Meter Länge. Diese wird flankiert von zwei Stall-Seitenschiffen von 3,42 Meter und 3,08 Meter Breite. Der Kuhstall im linken Seitenschiff zeigt noch die charakteristisch ausgekehlten Kuh-Nackenriegel für die in Anbindehaltung stehenden Rinder. Beide Dielenwände wurden durch sorgfältig gekehlte Kopfbänder quer mit der in Dachbalkenzimmerung abgebundenen Decke ausgesteift.
An den Stallteil schließt sich eine 4,70 Meter lange Flettküche mit zwei hohen Luchten an. Die massive Herdwand mit einem geschlossenen Kamin führte den Rauch der Herdstelle über Dach. Aus diesem Grund ist das Gebälk vergleichsweise wenig geschwärzt.
(Pressemitteilung des Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL))

